Wir an der Grenze – Lebhafte Grenzgeschichten in Motzlar

Information der Gemeinde Schleid

Dass das Interesse am Thema „Grenzöffnung“ ungebrochen ist, zeigte die Veranstaltung „Wir an der Grenze“ im Dorfsaal in Motzlar.

Die Moderatoren des Abends Dieter Kiel vom Fotozirkel Geisa und Schleids Bürgermeisterin Manuela Henkel begrüßten zu Beginn Cornelius Treis aus Kranlucken, Benjamin Bernhardt aus Ketten und Elias Brehl aus Walkes. Die drei Jugendlichen zeigten in einem Rollenspiel die Zwangsevakuierung des Seeleshofes.

„Wir sollten alles dafür tun, dass es nie wieder solch eine Grenze gibt“, sagte Cornelius Treis im Anschluss bei der Podiumsdiskussion.

An dieser nahmen auch Heimatforscher Bruno Leister, Stefan Jakobi, und Marie-Luise Neuber, geborene Reuter teil. Letztere musste als junges Mädchen gemeinsam mit ihren Eltern und Großeltern ihre Schreinerei in Motzlar im Oktober 1961 verlassen. Sie sah ihren Heimatort erst 27 Jahre später nach der Grenzöffnung wieder.

Ingrid Gerhard, deren Schwester Gisela gemeinsam mit zwei anderen jungen Frauen aus Motzlar 1964 über die Grenze geflüchtet war, berichtete: „Ich war damals 3 Jahre alt und habe meine Schwester Gisela erst 12 Jahre später wiedergesehen.“

Tragische Schicksale, Tragödien, aber auch gefährliche Fluchtdramen spielten sich an der Grenze ab. Das kam im gezeigten Interview von Paul Trabert aus Walkes deutlich rüber. Er flüchtete gemeinsam mit seinem Bruder Norbert 1987 durch ein 40 Zentimeter enges Rohr in die langersehnte Freiheit.

„Uns stand das Wasser wörtlich bis zum Hals und mein Bruder blieb fast stecken“, berichtete Paul Trabert.

Mit einem Seil konnte er ihn dann doch noch rausziehen und die Flucht gelang. Gegen zwei Uhr kamen die beiden dann endlich in Habel an und klopfen an der erst besten Haustür, an der noch Licht brannte.

Der Hausbesitzer Reinhard Röder berichtete, dass er um diese Uhrzeit noch Hitchcocks „Die Vögel“ mit seiner Frau schaute und den beiden fast das Herz in die Hose gerutscht sei, als zwei schwarz bemalte Männer vor der Tür standen.

Ebenso erzählte Elmar Goldbach, ehemaliger BGS-Beamter und Cousins der Traberts Brüder über deren Ankunft in der Abteilung des Bundesgrenzschutzes in Fulda. Spannend war auch die „Grenzgeschichte“ von Tanns ehemaligem Bürgermeister Dieter Herchenhan, der während eines Hubschrauberfluges mit dem einstigen hessischen Wirtschaftsminister die Modalitäten des Baues des Grenzüberganges Motzlar-Günthers aushandelte.

„Es wurden alle Baufirmen in der Nähe abgezogen und in 2,5 Wochen war der Grenzübergang fertigt“, so Dieter Herchenhan.

Neben vielen anderen Geschichten beeindruckte ganz zum Schluss die Erzählung von Olaf Schäfer, der aus dem thüringischen Oberalba stammt und der bei der Grenzöffnung seine große Liebe aus Günthers fand.

„Sie hat Doppelkopf gespielt, geraucht und Weizenbier getrunken und da habe ich mir gedacht: Die oder keine“, so erzählte er schmunzelnd über die erste Begegnung aus der dann eine bis heute glückliche Ost-West-Beziehung wurde.

Weiterhin berichteten der ehemalige Polizeidienstellenleiter aus Hilders Erich Bamesberger, Günthers Ortsvorsteher Thomas Wehner, Anges Mannel aus Motzlar sowie der ehemalige Amtstierarzt Martin Bernhard aus Borsch über ihre „Grenzerfahrungen“.

Letzterer war für die Überführung der auf Menschen abgerichteten Grenzhunde zuständig und erzählte, dass besonders die Amerikaner und Kanadier nach „German dogs from the wall“ ganz verrückt waren.

Lebhafte Gespräche entstanden im Publikum als Foto- und Filmaufnahmen von der einstigen Grenze, der Grenzöffnung sowie der heutigen Situation gezeigt wurden. Viel Applaus bekamen Pianist Arno Volkmar und Sängerin Melanie Erb aus Motzlar für Westernhagens „Freiheit“. Mit weiteren musikalischen Einlagen bereicherte die Kohlbachtaler Kinderschola unter der Leitung von Patricia Schäfer das Programm.